Januar ’24

Krank


Meine Frau turnt im Pilates, wir Männer warten in der Küche, alle recht adrett angezogen, weil man ja eine Falle machen will, wenn Besuch kommt. Zwei junge Katzen jagen einen Stoff-Spongebob durch die Wohnung. Sie schubsen ihn abwechselnd und glauben dann naiv, er lebe.

Das Telefon klingelt: Er sei krank! Herr Gubser, der heute unsere Männergruppe mathematisch hätte auf Linie bringen sollen, entschuldigt sich. Er merkt es selbst. Ein sich krankmeldender Krankenkassenvermittler verliert an Glaubwürdigkeit. Ich beruhige ihn. Er soll sich auskurieren und wir fänden einen neuen Termin. Ich meine den Ton gut getroffen zu haben: Bedauern gezeigt, aber trotzdem eine Spur Vorfreude in die Stimme gelegt. Seine Assistentin Patricia Rojas wolle bei diesem ersten Mal auch nicht kommen, so ganz alleine. Ich drücke Verständnis aus und freu mich über den Ausdruck «Bei diesem ersten Mal». Tönt vielversprechend, eher nach einer vertiefenden mathematischen Trainingsserie als nach einem schmalen Kurzinput.

Heinz, Mark und ich sitzen also in unserer Küche, viel zu viel Läderach-Schoggi auf dem Tisch und doppelt so viele Vollkorngipfel wie jetzt nötig. Die Bereitschaft zum mathematischen Rundumservice, vermittelt durch einen Könner, schwebt atmosphärisch im Raum. Ich breche mir etwas von der Weissen mit Pistazie ab. Im Wohnzimmer drüben scheppert es. Die Topfpflanze hat ihre Vertikalausrichtung verloren und liegt flach auf dem Parkett. Katze Eins war’s. Ich stell das Grünzeug wieder auf. Weil sich keiner von uns inhaltlich vorbereitet hat, mäandern wir thematisch im Vakuum rum. Als ich erzähle, dass wir eine neue Playstation hätten, mein Sohn mich aber wie einen mental Zurückgebliebenen behandelt, wenn ich versuche, ein wenig mitzuspielen, fangen die beiden andern Feuer. Das Alternativprogramm ist geklärt.

Wir verschieben Gipfelis, Schoggi und uns ins Wohnzimmer. Marc übernimmt den Lead, weil er das Zeugs in seiner Jugend mal bis zur finalen Verblödung gebincht habe, wie er es nannte. Jeder kriegt einen Controller. Autorennen. Marc ist uns in den ersten Runden haushoch überlegen. Aber er behandelt uns fürsorglich, um Welten besser als es mein Sohn tat. Er vermittelt uns einige Tricks und zeigt mit glänzenden Augen, wie wir die Autos tunen können. Unser Abstand auf Marc wird kürzer. Katze Zwei springt am Fernseher hoch und schlägt nach Marcs Audi Quattro. Den Rest des Morgens wird sie im Bad verbringen müssen, mit dem Sponge-Bob, den darf sie schlagen. Alles in allem ein wunderbarer Morgen. Kurz vor der Rückkehr meiner Frau wird säuberlichst retabliert. Sie muss nicht alles erfahren. Aber wir finden einstimmig, dass uns eine zweite Pilatesstunde meiner Frau pro Woche sehr gut täte. Bald hat sie Geburtstag. Wir betreiben zu dritt ein kurzes Crowdfunding, ich werd dann noch die Karte schreiben.